[Gastbeitrag] „Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht“
Keine drupa ohne Gutenberg! In ihrem Gastbeitrag erläutert Dr. Julia Bangert, Geschäftsführerin der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz e.V., die Bedeutung von Johannes Gutenberg für die Druckbranche.


Johannes-Gutenberg-Illustration von Dr. Julia Bangert
Die gesamte Industrie der Druckmedien hat ihren Ursprung in den Händen eines einzelnen Mannes: Johannes Gutenberg. Der Patrizier aus Mainz erfand um die Mitte des 15. Jahrhunderts den Buchdruck mit beweglichen Lettern.
Genauer gesagt entwickelte er mit Unterstützung eines Teams aus Finanzpartnern, Schreibern und Handwerkern ein komplexes System zur massenhaften drucktechnischen Vervielfältigung von Texten. Dieses System umfasste alle Bereiche von der Herstellung einzelner metallener Lettern, ihrer Zusammensetzung zu einem vollständigen Text bis hin zum Druck in einer Presse. Gutenbergs Erfindung war so vollständig und durchdacht, dass sie bis ins 19. Jahrhundert in ihren Grundzügen unverändert blieb. Aus der Mainzer Urdruckwerkstatt verbreitete sich der Buchdruck innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten über ganz Europa und legte den Grundstein für einen eigenen Industriezweig: die Druckindustrie.
Der Buchdruck verändert alles
Die Folgen von Gutenbergs Erfindung waren aber noch viel weitreichender. Bücher waren zu seiner Zeit nahezu die einzige Möglichkeit zur Informationsvermittlung. Da gedruckte Bücher im Vergleich zur Handschrift in wesentlich kürzerer Zeit in deutlich größeren Mengen hergestellt werden konnten, förderte der Buchdruck die Verbreitung von Wissen.
Darüber hinaus veränderte die neue Technik die Art, wie die Menschen lehrten und lernten. Das neue Erscheinungsbild von Texten beschleunigte die Lesegeschwindigkeit und ermöglichte damit die Aufnahme von mehr Wissen innerhalb kürzerer Zeit. Die Möglichkeit, sich widersprechende Texte vergleichend nebeneinander zu legen, beförderte außerdem die kritische Auseinandersetzung mit dem bekannten Wissen. Unstimmigkeiten wurden offensichtlich und Aussagen überlieferter Autoritäten konnten in Zweifel gezogen werden. Der Buchdruck steht nicht zuletzt in engem Zusammenhang mit dem Humanismus und der Reformation sowie den gesellschaftlichen Umwälzungen, die beide bewirkten.
Keine drupa ohne Gutenberg
Gutenbergs Bedeutung für die Welt ist nicht zu unterschätzen. Und seine Bedeutung für die drupa ist fundamental – ohne ihn gäbe es sie nicht. Die Druckindustrie kann auf eine über 500 Jahre lange Tradition zurückblicken. Weiterentwicklungen sind dabei wichtig und unerlässlich. Die zunehmende Digitalisierung bringt Veränderungen mit sich, auf die die Branche reagieren und mit denen sie sich auseinandersetzen muss. Ob digitale Technologien Printmedien jemals überflüssig machen werden, ist mehr als fraglich. Trotz wachsender Digitalkanäle, trotz Internet, Tablet, Smartphone und Co. sind gedruckte Bücher, Zeitschriften und Zeitungen weiterhin die Wissensvermittler Nummer 1. Und wiederkehrende Trends zeigen eine Rückbesinnung auf das Handwerk und eine ungebrochene Faszination für die alten Techniken. Trotz immer besserer technischer Möglichkeiten halten sich bis heute kleine Betriebe, die im Handsatz arbeiten und Gutenberg und sein Vermächtnis am Leben halten.
Auch für die Druckindustrie gilt die bekannte Redewendung der Überschrift: „Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht.“
Nur wer seine Wurzeln kennt, kann sich weiterentwickeln.
Über die Autorin:
Julia Bangert ist promovierte Buchwissenschaftlerin und Künstlerin. 2019 erschien ihre Dissertation unter dem Titel „Buchhandelssystem und Wissensraum in der Frühen Neuzeit“. Neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz e.V. arbeitet sie als Buchmalerin und Illustratorin. Feinste Farbgebung und ein eleganter Pinselschwung sind ihr Markenzeichen, eine perfekte Blattvergoldung ist ihre Leidenschaft.